#Alltagssprache – Wie man Bürokratendeutsch vermeidet und allgemeinverständlich übersetzt.

Ich hab ne Allergie gegen Bürokratie und Blutleere in der Sprache. Besonders im Radio und besonders dann, wenn es einfach wäre, es konkret und einfach zu sagen. Ich hab deshalb im Sommer 2022 aus einer Laune heraus angefangen, für mehr Alltagssprache im (Audio)Journalismus zu werben. Mit Beispielen. Entstanden ist über die Monate eine Sammlung, die vielleicht auch als Spiel Spaß macht. Eine Art Vorher-Nachher-Spiel. Interesse? Dann: Los!

Vors losgeht, kurz zur Erklärung: Worum geht’s mir?

Um eine Sprache, die

  • anschaulich, sinnlich konkret sagt, was (gemeint) ist.
  • ohne bürokratische Fachbegriffe auskommt.
  • mit Substantiven spart.

Einfach, weil das packender ist und einfacher zu verstehen beim Hören.

Dass sich behördlich abstrakt Substantivisches oft einfach übersetzen lässt in schnell begreifbares Alltagsdeutsch, hab ich vor Jahren schon mal an einem Beispiel durchgespielt:

Achtung ansteckend!

Jetzt sammle ich weitere Beispiele und freu mich, wenn Ihr mitmacht. Jetzt aber: Los geht’s!

❌ in immer mehr Ländern weltweit herrscht Nahrungsmangel
✅ immer mehr Menschen weltweit haben zu wenig zu essen

❌ Nach der Brandursache wird noch gesucht. Möglicherweise war es Brandstiftung.
✅ Warum es gebrannt hat, untersuchen Fachleute noch. Möglicherweise hat jemand das Feuer absichtlich gelegt.

❌ Zur Feier des 50-jährigen Bestehens erhöht das Theater seine Abo-Kapazität.
✅ Das Theater wird dieses Jahr 50. Um das zu feiern, macht das Theater dem Publikum ein Geschenk: Es bietet mehr Abos an als üblich. (Wer viel ins Theater geht, spart damit Geld.)

❌ Wegen Sanierungsarbeiten am Bahnhof kommt es zu Behinderungen im ÖPNV.
✅ Der Bahnhof bekommt eine neue Zufahrt. Zum Teil müssen Busse deshalb Umwege fahren. Einige Züge können gar nicht fahren. Heißt: Wer mit Bus und Bahn unterwegs ist, muss mehr Zeit einplanen als üblich.

 

❌ Zwischen x und y fährt ein Schienenersatzverkehr.
✅ Zwischen x und y fahren keine Züge. Es fahren aber stattdessen extra Busse. (Wer pendelt, muss also umsteigen.)

Wenn Ihr Euch jetzt fragt: Alles schön und gut. Aber macht das denn so einen Riesenunterschied? Warum der Aufwand?

Eine besonders eindrückliche, weil ganz handfest praktische Untersuchung, wurde vor Jahren bei der Zukunftswerkstatt Radionachrichten vorgestellt: Sie zeigt, wie erschreckend wenig das Publikum behält, wenn nicht konkret und klar formuliert wird:

Gehört? Ja. Verstanden? Nein!

Weitere Beispiele:

❌ Die Stadt verlängert das Fischereiverbot im Mühlbach. Grund ist die hohe Wassertemperatur und der niedrige Pegel.
✅ Im Mühlbach darf man weiterhin nicht angeln. Die Stadt sagt, es sei zu wenig Wasser im Bach und es sei zu warm.
(Warum das Fische betrifft, müsste man noch erklären. Klar.)

Sich um einfaches und konkretes Formulieren zu bemühen, schärft übrigens auch das Verstehen und Recherchieren. Man ist gezwungen hinter die Schlagworte und Fachbegriffe zu schauen. Aber klar: Schwierig. Wie immer, wenn was einfach sein soll. Leider.

❌ Die Polizei hat Ermittlungen zur Ursache aufgenommen.
✅ Die Polizei ermittelt. Sie untersucht auch, warum (der Fahrer von der Straße abgekommen/das Feuer ausgebrochen ist etc.)

Ganz generell: Vorsicht bei jedwedem „Mangel“. Ärzte, Fachkräfte, Wasser… Alles mega sperrig. Und vollends paradox:

❌ Der xx-Mangel nimmt ab.

Jou. Heißt was?

✅ Es gibt wieder mehr xy.

Jep.

❌ Flüsse und Seen sind nach Unwetter und Starkregen gestern verunreinigt.
✅ Äste, Blätter, Dreck und Schlamm – der heftige Regen gestern hat viel mitgerissen und zum Teil in Flüsse und Seen geschwemmt. Der Neckar bei Tübingen zum Beispiel…

❌ Die Kosten für einen Roboter belaufen sich auf circa 5.000 Euro. Dabei handelt es sich nur um reine Materialkosten.
✅ Allein das Material für einen Roboter kostet ungefähr 5.000 Euro.

❌ Die Discounter verzeichnen deutliche Umsatzrückgänge im Non-Food-Bereich.
✅ T-Shirts, Töpfe und Tassen vom Grabbeltisch – bislang war das in Billig-Supermärkten ein gutes Geschäft. Jetzt aber verkaufen sich diese Angebote nicht mehr so gut.

❌ Das Schulamt gibt kurz vor Schuljahresbeginn einen Überblick über die Lehrerversorgung und die Schülerzahlen.

✅ In drei Tagen geht das neue Schuljahr los. Das Schulamt hat jetzt bekannt gegeben, wie viele Lehrer wie viele Schüler unterrichten werden.

❌ Aktuell werden noch Nachlöscharbeiten durchgeführt.

✅ Noch immer sind Feuerwehrleute vor Ort. Sie räumen Brandschutt weg und versuchen zu verhindern, dass das Feuer nochmal aufflammt.

❌ Firma x nutzt die Nähe zur Schule z für eine Kooperation im Ausbildungsbereich.
✅ Nachbarn sind sie schon lange. Jetzt arbeiten Firma x und Schule z zusammen. Gemeinsam wollen sie jungen Menschen helfen, den richtigen Beruf zu finden.

Übrigens: „Bereiche“ sind fast immer völlig unnötig:

❌ im Kurvenbereich
im Wohnbereich
im Ausbildungsbereich
im Baustellenbereich
im Uferbereich

✅ in der Kurve
im Wohnzimmer
in der Ausbildung
in der Baustelle
am Ufer

❌ Das Rebhuhnschutzprogramm wird ausgeweitet. Erste Maßnahmen, wie zeitlich begrenzte Straßenesperrungen, wurden schon umgesetzt.
✅ Rebhühner sollen noch besser geschützt werden. Bislang wurden Straßen gesperrt. Jetzt wird das Landratsamt auch noch…

❌ In fünf Jahren sollen die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin ausgewertet werden.
✅ In fünf Jahren wird ausgewertet, ob das was bringt, und wenn ja, was genau.

❌ Es herrscht Glättegefahr.
✅ Es ist zum Teil gefährlich glatt.

❌ Der Radverkehr hat das Potenzial, einen Großteil der innerstädtischen Mobilität zu übernehmen.
✅ Mit dem richtigen Konzept lassen sich die meisten Wege in der Stadt mit dem Rad zurücklegen.

❌ Ob ähnlich große Einsparungen auch bei dem temperaturbedingt deutlich höheren Verbrauch im Winter realisiert werden können, ist allerdings noch unklar.
✅ Ob sich ähnlich viel Energie sparen lässt, wenn es im Winter kälter wird, ist derzeit schwer zu sagen.

❌ Die Zahl der Arbeitslosen ist im Oktober gesunken.
✅ Im Okt waren weniger Menschen arbeitslos gemeldet als im Sept.

Gilt für fast alle Meldungen mit „Die Zahl der…ist erhöht/gestiegen/gesunken…“ Umformuliert klingt es meist griffiger und konkreter.

❌ Die Regenfälle haben Experten zufolge kaum dazu geführt, dass die Grundwasserstände höher sind.
✅ Grundwasser bleibt knapp. Der Regen der vergangenen Tage reicht nicht, um die Pegel anzuheben. Das sagen die Wasserwirtschaftsämter.

❌ Im Mittelpunkt der Aktion steht die Bekämpfung des Alkoholismus.
✅ Mit der Aktion will xy verhindern, dass Menschen alkoholabhängig werden.

❌ Die Klinik geht nicht davon aus, dass es zu Engpässen bei der Notfallversorgung kommt.
✅ Die Klinik ist sicher, dass sie alle Menschen, die als Notfall eingeliefert werden, behandeln kann.

❌ Der Tunnelvortrieb ist abgeschlossen. Jetzt laufen die Ausbauarbeiten. Der Bau der Röhren war dominiert von Problemen.
✅ Probleme gab es viele, aber jetzt sind die Röhren für den Tunnel fertig. Gebohrt wird nicht mehr. Jetzt wird die Straße im Tunnel gebaut.

❌ Die Impfstofflieferungen des Landes wurden gekürzt. Jetzt macht diese Reduktion der Liefermengen Probleme.
✅ Das Land bekommt jetzt weniger Impfstoff als ursprünglich geplant. Das sorgt für Probleme.

❌ Die Bearbeitungszeit müsse sich laut Landratsamt verkürzen.
✅ Das muss künftig schneller gehen, sagt das Landratsamt.

❌ Die Frage der Finanzierung ist unklar.
✅ Keiner weiß, wer das bezahlen soll / …woher das Geld dafür kommt.

❌ Die Stadt plant, die Öffnungszeiten in den Kitas wegen des Personalmangels strukturell zu reduzieren.
✅ In vielen Kitas fehlt Personal. Deshalb plant die Stadt jetzt, sie nicht mehr so lange zu öffnen.

❌ Ein hoher Konsum von Gemüse und Obst verbessert den Gesundheitsstatus.
✅ Viel Obst und Gemüse essen ist gesund.

❌ Viele Kitas in Deutschland können ihren Bildungsauftrag nicht umsetzen.
✅ Viele Kitas in Deutschland schaffen es nicht, dass Kinder dort etwas lernen.

Manchmal fliegen mir die Beispiele für gut Alltagssprache übrigens wirklich im Alltag zu. Zum Beispiel beim Friseur, wo man manchmal ohne es zu wollen, Gespräche wie diese belauscht:

❌ Friseurin: „Sie nutzen auch häufig den Busverkehr.“
✅ (Schwäbische) Kundin: „Ha jo. I fahr viel Bus!“

To be continued.
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