Radio: Sichtbar. Teilbar. Endlich.

Neue Versuche, Audio ins Netz zu bringen. Plötzlich geht was.

Da schwärme ich seit ewigen Zeiten vom „Radio für die Augen„, werbe für visualisierte Audio-Higlights im Netz und komme mir vor wie die Ruferin in der Wüste und dann das:

Die Nachrichtenplattform BR24 hat einen Radio-O-TON bebildert und via Twitter und Facebook  ins Netz gebracht. Auf geniale Art, wie ich finde. Und was ein Glück: Die Macher bei BR24 sind nicht die einzigen, die gerade versuchen, Audios mit mehr Wumms ins Netz zu bringen. Es gibt gleich ein paar neue Tools und Ideen. 

Aber bleiben wir kurz bei dem Beispiel von BR24. Denn Salvan Joachim, Anna Hunger und Johanna Rupprecht, die Macher, haben da ein paar entscheidende Dinge richtig gut gemacht:

  • Ruhige Standbilder wirken als Blickfang.
  • Die bewegte Wellenform zeigt an: Hier geht’s ums Audio. Hier gibt’s was zu hören.
  • Die Schrift liefert auch denen schon Info, die (erstmal noch) nix hören.
  • Der Ton ist kurz und knackig, hat Tweet- und Postlänge, passt also ins Social-Media-Konsummuster und lässt sich gut teilen, also weiterverbreiten.

Gut so. Und doch spinnt mein Hirn schon weiter:
Welche Töne eignen sich denn für so eine Verbreitung? Und mit welchem Ziel?
Ist das Beispiel hier ideal? Und funktioniert der Tweet dazu?

Ich finde: Ja. Aber da ginge noch mehr. Denn klar ist: Dieses Audio ist zwar ein inhaltlich bemerkenswertes Statement (ein CSU-Politiker der Drogenkonsumräume fordert!), aber sonderlich radiophon ist es nicht. Und es ist in sich abgeschlossen, will heißen: Es gibt mir keinen Anreiz noch mehr zu hören. Und dann vielleicht wirklich NUR zu hören. Das aber wäre für mich die ideale Wirkung eines solchen visualisierten O-Ton-Posts.

Heißt also: Besonders (und noch besser) geeignet für eine solche (ja auch mit Aufwand verbundene!) Verbreitung mit Bild scheinen mir wirkungsintensive O-Töne, wie wir Radiomacher sie lieben. Töne also, die beim Hören klar machen, dass nicht nur spannend ist, WAS da gesagt wurde, sondern WIE es gesagt wurde.

Ein Beispiel: Beim Deutschlandfunk hat der baden-württembergische CDU-Politiker Thomas Strobl am 22. März 2016 ein Interview gegeben. Thema: Ist der Spitzenkandidat Guido Wolf nach der Wahlniederlage noch zu halten und wer führt jetzt die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen?

Wer das Interview gehört hat, weiß: Thomas Strobl hat sich richtig schwer getan mit seinen Antworten. Und die Fragen von Moderatorin Bettina Klein haben ihn hörbar in Not gebracht. Nur: Im Netz ist das für Leser nicht mehr spürbar.  Und im Tweet dazu ging’s nur um die inhaltliche Zusammenfassung:

Schade! Denn das, was die Wirkung des Interviews für die Hörer ausmachte, war das hier:

Und genau das hätte man so vermitteln müssen. Mit Hörausschnitten. Am besten bebildert und mit einem entsprechenden Hinweis im Text. Motto: „Braucht die CDU BW einen neuen Fraktionschef? Landeschef Strobl seufzt. Mehrfach. [AudioSlideShowSnippet] Das ganze Interview hier: [LINK]“

Schon klar: Bei Twitter ist das ein extrem schwierige Übung. Trotzdem wäre genau das ideal:

  • Aufmerksamkeit wecken durch Bild(er).
  • Packendes Audio dazu.
  • Link auf das Gesamt-Audio.

Tweets und Posts wirken dann wie Teaser. Und hey, darin sind wir Radiomacher doch Meister! Und erstaunlich: Es gibt bereits eine Plattform, die genau so funktioniert.

Die Hörteaser-Maschine Clammr.

Radiokollege Thomas Reintjes hat bereits damit experimentiert:

„Mit den Apps oder auf der Website von Clammr lassen sich Audioschnipsel erstellen und in sozialen Netzwerken teilen. Clammr wandelt Audios in Videoclips um, sodass sie trotz des immer noch vorherrschenden Mangels an Audioplayern überall eingebettet und abgespielt werden können.

Das Erstellen ist recht einfach: Clammr durchsucht Podcast-Verzeichnisse oder kann auf die auf dem Smartphone gespeicherten Podcasts zugreifen. Oder man gibt einen Direktlink zu einer MP3-Datei ein. In einem Audioeditor kann man den gewünschten Ausschnitt suchen und auswählen; Clammr-Clips dürfen maximal 24 Sekunden lang sein.

Besonders gefallen mir die flexiblen Konfigurationsmöglichkeiten, mit denen man zum Beispiel einstellen kann, wohin Hörer geleitet werden sollen, wenn sie mehr hören wollen als den 24-Sekunden-Clip. Um den mangelnden Viral-Faktor von Audios auszugleichen, bietet Clammr Zugriff auf eine GIF-Bibliothek. Die albernen Animationen lassen sich in die Videos einbetten und zum Beispiel vertwittern:

Insgesamt finde ich allerdings, dass die Sound-Videos noch etwas schicker daherkommen könnten. Außerdem scheint Clammr das Thema Urheberrechte eher amerikanisch-locker zu sehen. Aber Clammr ist auf jeden Fall ein einfaches Mittel, um schnell Teaser-Clips zu erstellen oder schöne, spannende, witzige Momente aus Podcasts zu teilen.“

Dank an Thomas für diese Tipps und Hinweise!

Auch WNYC hat jüngst einen Versuch gestartet Audio besser in Netz zu bringen – mit „Audiogrammen„:

Sie sind eigens dafür gemacht für größere Podcast- und Radioproduktionen zu werben. Mit kleinen Ausschnitten und standardisierter Anzeige der Audio-Wellenform. Die Wirkung ist nicht ganz so stark, wie bei der passend bebilderten Audio-Slide-Show von BR24. Klar. Aber sie ist auch weniger aufwändig. Generell finde ich gezeichnete Bilder recht passend als Untermalung für guten Audio-Content. Einfach weil klar wird: Das Bild ist hier ein Blickfang, aber die Info steckt im Audio.

Und dann ist da noch Tape Write, eine neue Plattform, die es erlaubt Bilder und Texttafeln zu Audios zu kombinieren.

bleiwüsten-hinweis tapewrite
Was kann TapeWrite? bleiwuesten.de beschreibt es.

Das Ziel: Audio-Inhalte auch auf Geräten mit Bildschirmen attraktiv machen. Denn passend zum Audio werden einzelne „Cards“ gezeigt. Das Tolle dabei: Diese einzelnen Cards haben eigene Links. Das heißt: Man kann einzelne Passagen in dem Audio samt Bildinformationen verschicken, posten, twittern. Auch lange Audios sind also mit Hinweis auf konkrete Passagen teilbar. Eine super Sache. (Wie’s genau funktioniert, ist nochmal schön bei bleiwuesten.de beschrieben.)

Und doch ist das, was es bei TapeWrite im Moment zu sehen gibt, noch nicht ausgereift, finde ich. Viele der Podcasts arbeiten nämlich mit Texttafeln zum Audio. Das finde ich oft ablenkend. Und ja ich gebe zu: Dass man von einer Card zur nächsten springen kann, verleitet mich oft dazu, auf „Next“ zu klicken, statt zuzuhören. Selbst bei guten Audios. Erschreckend. Und natürlich genau das Gegenteil dessen, was das Tool eigentlich bewirken soll.

Dennoch: Der Versuch, Audios mit visuellen Reizen attraktiver zu machen und eine Plattform dafür einzurichten, ist toll. Und für Best Practice Beispiele braucht es vermutlich einfach ein wenig Zeit und Übung. Let’s do it.

4 Antworten auf „Radio: Sichtbar. Teilbar. Endlich.“

  1. Grundsätzlich ist die Idee, Audio online besser teilbar und visuell erlebbar zu machen, natürlich toll. Vor allem das schnelle Zusammenklicken mit Clammr und Co ist für Nutzer/Hörer ganz gut. Aus Publisher-Sicht hat das aber Grenzen, finde ich, da letztendlich immer alles nach Clammr und Co aussieht und wenig Individualisierungsmöglichkeiten bietet. So kleine Clips kann man auch relativ einfach selbst machen, z.B. mit einem Freeware Videoeditor. Ich hab da mal was mit iMovie zusammengeklickt. https://twitter.com/systemfehlr/status/714441479037562881 Die Tools sind ja nicht das Problem sondern die Umsetzung und auch der Beleg, dass sich der Mehraufwand lohnt, denn die Conversion-Rate vom 24s Videoclip bei Twitter oder Facebook zum Podcast-Abo oder Audiodownload dürfte eher gering sein. Da könnten Clammr und Co allerdings wieder Punkten – vorausgesetzt sie würden einen Abonnieren-Button zum Original-Podcast integrieren, am besten App-übergreifend.

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