Gespräch auf Umwegen

Wie man Interviews via WhatsApp ins Radio bekommt.
Ein Beispiel mit Anleitung von Tobias Gasser.

Wir haben für die die Sendung „Echo der Zeit“ im Schweizer Rundfunk jüngst das erste Whatsapp-Interview gesendet.

WhatsApp Interview SRF HandyshotDetailAber wie ist es enstanden? Antwort: Mit Mühen. Und Umwegen.

Ich kontaktierte  das Schweizerische Rote Kreuz mit der Frage, ob wir mit der Nicole Rähle vom Schweizer Roten Kreuz ein Interview aufzeichnen könnten. Nicole Rähle ist seit ein paar Wochen auf der „Topaz Responder“ unterwegs, einem Rettungsschiff des italienischen Roten Kreuzes im Mittelmeer. Sie hilft als Pflegefachfrau bei Seerettungen mit.

Die Presseverantwortliche beim SRK sagte mir, die Kommunikation sei schwierig. Ich könne Nicole Rähle aber per Whatsapp kontaktieren. Nicole Rähle bestätigte, ein Telefonnetz gebe es auf dem Schiff nicht. Und Skype-Gespräche seien auch schwierig zu führen, das Internet sei oft zu schwach.

Wir kamen schnell überein, dass wir es mit WhatsApp versuchen wollten. Mit der Sprachnachrichtenfunktion.

WhatsApp Interview SRF Handyshot3

Moderator Roman Fillinger und ich saßen also noch am selben Nachmittag zusammen im Studio.

Während der Techniker hinter der Glasscheibe Romans Fragen mit der Audio-Software (DigAs) aufzeichnete, nahm ich seine Fragen mit der WhatsApp-Audionachricht-Funktion auf und sendete sie Nicole Rähle. Sie nahm ihre Antwort auf, wir hörten diese ab, und Roman stellte die nächste Frage. (Etwa so stelle ich mir das Funken auf hoher See vor. Roger – Copy – Over. Oder so.)

Jetzt die technische Herausforderung: Wie bekomme ich die Audio-Dateien von meinem Smartphone auf meinen Computer ins Digas?

So geht’s:

1. Klicke auf eine Sprachnachricht in WhatsApp, klicke im Menu auf Weiterleiten.
2. Markiere alle Sprachnachrichten. Und klicke aufs Weiterleiten-Symbol (Pfeil).
3. Schicke dir selbst die Dateien per Mail zu. (Ab einer gewissen Anzahl Dateien und Grösse musst du mehrere Mails erstellen.)

Die Audiodateien haben das Format Opus. Dahinter steckt ein neuer Audio-Codec, der – wenn ich das richtig verstehe – eine variable Bitrate nutzt. Unser Digas kann diese Opus-Dateien nicht importieren und bearbeiten. Es braucht also noch einen zusätzlichen Umweg – die Dateien müssen konvertiert werden. Das kann zum Beispiel der VLC-Player. Oder man nutzt eine einschlägige Webseite. Ich habe folgende benutzt: http://media.io/de/ Aus den Opus- habe ich wav-Dateien gemacht.

Zeitaufwand:
30 Minuten lang saßen wir im Studio für das Interview. Ich habe dann ca. 40 Minuten lang Audio-Dateien konvertiert – das geht das nächste Mal hoffentlich schneller. Und dann habe ich nochmals eine Stunde gebraucht, um das Gespräch im Multitracker zusammenzubauen, zu kürzen und abzumischen. Der Techniker (Danke, Reto!) hat das Gespräch auch nochmals abgehört und da und dort noch feingeschliffen und gepegelt.
Voilà.

WhatsApp Interview SRF Schiff1

 

portrait tobias GasserÜber Tobias Gasser: Wuchs ohne Fernseher auf, verbrachte Stunden vor dem Radiogerät. Musste dieses Trauma kompensieren und arbeitete später fürs TV. Ist heute überzeugt: Radio braucht auch Bilder (#visualradio). Arbeitet als Produzent bei Radio SRF (für „Echo der Zeit“). Twittert.

Radio machen LogoÜber dieses Blog: Auf www.radio-machen.de schreibt die Hörfunkerin Sandra Müller über alles was Audio ist, kann, faszinierend macht. Das macht sie auch auf Twitter und facebook. Sie freut sich über Gastautoren, die auch Lust haben, über Audio und Radio zu schreiben.

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11 Antworten auf „Gespräch auf Umwegen“

  1. Wenn man sich am PC bei WhatsApp Web einloggt, kann man die Sprachnachrichten auch direkt herunterladen. Damit kann man sich zumindest den E-Mail-Weg sparen.

    Wir haben da beim BR etwas extrem praktisches: 4media.
    Damit bekomme ich von überall (ohne Token/externen Zugang) Audiofiles direkt ins Digas. Am Rechner per Browser oder eigener Software, am Smartphone per App. Ich hab’s gerade mal ausprobiert: Ich kann direkt aus WhatsApp heraus die Sprachnachrichten an 4media übergeben und bekomme sie ins Digas geliefert. 4media kommt also auch ohne Probleme mit Opus zurecht. Kein VLC-Gebastel, keine Fehlerquellen, keine qualitative Verschlechterung.
    Vielleicht wäre 4media auch mal was für andere Rundfunkanstalten? ;-)
    http://www.baycom.de/software/custom/4media/

    Ganz was anderes: Wäre dradiointerview für diesen Fall nicht eine Alternative gewesen?
    http://www.dradiointerview.de

    1. Lieber Andreas
      Danke für den Hinweis auf 4media. Vielleicht haben wir das auch im Haus – und ich weiss nichts davon… Auf Whatsapp-Web bin ich diverse Male hingewiesen worden. Ich habe einfach nicht daran gedacht. Das hätte das ganze erleichtert.
      An die dradiointerview-App habe ich gedacht – mich aber dagegen entschieden. Theoretisch wäre es gegangen. Die Gesprächspartnerin hatte ein Android-Handy (die App gibt es momentan nur für Android). Ein normales Telefonnetz parallel braucht es ja trotzdem, um das Gespräch zu führen. Das war aber hier nicht vorhanden.

      Das Praktische an Whatsapp: Viele haben die App, einige kennen auch die Sprachnachrichtenfunktion (oder sonst ist sie schnell erklärt) – und die App sendet und empfängt auch, wenn nur ein schwaches Datennetz vorhanden ist.
      In dieser Facebook-Gruppe (französisch) haben wir auch diskutiert, ob ein Minijack-Jack/XLR-Kabel aufs Mischpult nicht die praktischste Lösung gewesen wäre – die Töne ausspielen und aufzeichnen.
      https://www.facebook.com/groups/366952093515762/permalink/509769042567399/?comment_id=509782145899422&reply_comment_id=509999365877700&notif_t=group_comment_mention&notif_id=1471951987217037
      Und bei der BBC haben sie letzthin versucht, ein Whatsapp-Telefongespräch aufzuzeichnen über die Minijack-Kabel-Lösung:

      @TobGass @MarcSettle how did you record it? Breakout cables? We did one last week on 5live but audio in/out was an issue.— Nick Garnett (@NickGarnettBBC) August 23, 2016

      Frohes Weiterbasteln! :-)

      1. Über irgendeinen anlogen Weg finde ich halt im Jahr 2016 schon sehr „von hinten durch die Brust“. Das macht das Audio niemals besser und es schleichen sich schnell Fehler ein.

        Meines Wissens nach hat nur der BR 4media. Aber stoßt das doch mal bei euch an, vielleicht wäre es ja interessant. Kann auch Video und somit vielfältig genutzt werden (jetzt klinge ich schon fast, als wenn ich der Vertrieb von BayCom wäre ;-) ). Für Rückfragen gerne an mich wenden.

  2. Wohlverstanden, diese Whatsapp-Lösung ist nicht für den Alltag gedacht, sondern für spezielle Situationen. Wir haben ja im Normalfall gut klingende Sip-Leitungen, teure Studiomikrofone und akzeptable Telefonleitungen (und die dradiointerview-App). Einfach gut, wenn man auf Do-it-yourself-Lösungen im Spezialfall zurückgreifen kann.

    Ich finde es z.B. interessant, wenn wir diese Smartphone-Dinger kreativ einsetzen können, um an bessere O-Töne ranzukommen. Bsp. Wir hatten heute noch keinen eigenen Korrespondenten im Erdbebengebiet in Italien. Unser Kollege vom Fernsehen stand uns aber zur Verfügung für kurze Interviews – am Handy. Wir haben ihn gefragt, ob er zwei Smartphones mitdabei habe. Er hatte. Über das eine haben wir telefoniert, auf dem anderen hat er sich selbst aufgenommen (Voice Memo App). Die Aufnahme hat er uns per Mail ins Studio geschickt. Ein paar Minuten später hatten wir einen aktuellen Augenscheinbericht auf dem Sender, der gut klang inklusive ein bisschen Wir-sind-vor-Ort-Atmo…
    Drüben bei Facebook habe ich noch ein Kabel-Foto gespostet. Damit kann man sogar Whatsapp-Gespräche aufzeichnen:
    https://www.facebook.com/Radiomachen/posts/1135409983220548?comment_id=1136144246480455&notif_t=like&notif_id=1472059000446630
    Minijack – XLR aufs Mischpult. Theoretisch wäre damit ein Live-Gespräch auf dem Sender möglich analog zu Skype. Womit wir wieder bei der Lösung für den Spezialfall wären.

  3. Ihr könnt natürlich auch einfach den Audioausgang des Telefons anschließen und die Soundquelle aufnehmen. Dann habt ihr es auch gleich im Format eures Audioprogramms.

  4. Das Audioformat Opus sagte mir bisher gar nichts. Auch wenn es aufwendig war, einen O-Ton zu bekommen, schien es ja in dem Moment der einzige Weg. Wenn die notwendigen Schnittstellen künftig geschaffen sind, ist es doch die WhatsApp-Audionachricht eine gute Alternative zum scheppernden Mobilfunknetz. Daumen nach oben!

  5. Wir haben eine Cloud-Lösung für den Redaktions-Whatsapp-Account. Die Files können direkt von Whatsapp an die Cloud geschickt werden und landen dann automatisch in Digas. Als Alternative, zum Beispiel von Privathandys, können wir die Files auch per Mail ans Digas schicken.

    1. Naja, es ist halt in einer vernetzten, digitalen Audiowelt einfach Unsinn. Statt solchen analogen Basteleien wäre die Bereitstellung eines vollautomatischer Imports in das CMS/Hausformat – wie auch schon von mir beschrieben – deutlich einfacher für den Anwender, weniger bzw. gar nicht fehleranfällig (das Audio betreffend) und last but not least einfach state-of-the-art.

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