Keine guten Nachrichten nach Tröglitz?

Vom Sog des Unguten. Aber wie ginge es anders?

Eins vorne weg: Ich arbeite nicht als Nachrichtenredakteurin. Die News sind also nicht (mehr) mein tägliches Geschäft. Und doch – oder vielleicht gerade deswegen – irritiert es mich manchmal, wie (nicht nur) wir Radioleute Nachrichten „machen“. Jetzt zum Beispiel. Nach Tröglitz und dem Brandanschlag auf eine noch leerstehende Flüchtlingsunterkunft. Denn ich finde, wir spielen das Spiel der Brandstifter mit. Schuld ist unsere althergebrachte „Nachrichtendenke“.

Schon klar: Ein abgefackeltes Asylbewerberheim mit einem verkohlten Dachstuhlgerippe. Ein Feuer nach wochenlangem, fremdenfeindlichem Gezeter. Das ist unbedingt ein Nachrichtenthema. Noch dazu eines mit Vorgeschichte: Schließlich ist der Tröglitzer Bürgermeister vor einigen Wochen nach Drohungen aus der rechtsradikalen Szene zurückgetreten.

Die Brandstiftung in Tröglitz bestimmt also seit Tagen die Nachrichtensendungen. In allen Wendungen und Facetten:

Die Polizei sucht den/die TäterInnen.
Es waren mutmaßlich Rechtsradikale.
Wegen des Feuers kommen nun weniger Flüchtlinge nach Tröglitz.
Und der Ministerpräsident sagt: „Tröglitz ist überall“.

Spätestens dieser Satz setzt eine weitere Kaskade an Statements und Äußerungen in Gang, die es auch in die Nachrichten schaffen. Denn: „Tröglitz ist überall.“ Der Wirkung eines solchen Satzes kann sich niemand entziehen. Nicht die Politik. Nicht eine Nachrichtenredaktion. Und dann taucht auch noch diese Karte der Amadeu Antonio Stiftung auf. Eine Karte, die zeigt, wo überall in Deutschland schon Flüchtlinge angegriffen und bedroht wurden. Eine Karte, die erschüttert. 

Gleich hinterher eine Leipziger Studie, die sagt: Fremdenfeindliche Ansichten sind in Deutschland weit verbreitet. All das schafft es in die Nachrichten.

Bedrohliche Nachrichten 

 Zu Recht. Denn das sind typische „Weiterdrehs“ eines (Brand)Falls, der allen Nachrichtenkategorien entspricht. Er ist aktuell, nah, relevant, ungewöhnlich, gesprächswertig,…

Doch in ihrer Gesamtheit führen diese Meldungen dazu, dass die Nachrichten über Tage bedrohlich wirken. Auf mich jedenfalls. Motto: „Tröglitz ist wirklich überall.“ Ich spüre eine gewisse Lähmung. Angst vielleicht sogar. Kein Wunder also wenn Menschen in Schwerin bei einer Bürgerversammlung zu einer geplanten Flüchtlingsunterkunft aufgebracht fragen:

Wir sehen es im Fernsehen, wir hören es in den Nachrichten: Es ist jetzt wieder ein Haus angezündet worden. / Vor dieser rechtsradikalen Gesinnung – ist dagegen ausreichend Schutz geboten?

Keine Antworten 

Und da sind wir genau beim Problem: Auf die Fragen „Was tun gegen Rechtsradikalismus? Was tun für Flüchtlinge?“ geben die Nachrichten der letzten Tage nämlich selten Antwort. Dem Gefühl der Bedrohung setzen sie nichts entgegen. Keine ermutigenden Beispiele, wie andere Orte, Rechtsradikalen Einhalt geboten haben. Keine nachahmenswerten Geschichten von Menschen, die Flüchtlingen helfen. 

„Aber solche Geschichten laufen doch massenhaft in den Magazinen!“ wird mir dann entgegen gehalten. Das stimmt. In vielen Radiosendern gab und gibt es Beiträge über jeweils lokale erfolgreiche Flüchtlingshilfsprojekte.

Aber dürfen wir diesen Teil der Wirklichkeit einfach aus den Nachrichten auslagern? 

„Ja. Wir dürfen und müssen,“ sagen die Nachrichtenmacher alter Schule. Schließlich gibt es keinen „aktuellen Aufhänger“, um eine Meldung über eine bestehende, gut laufende Flüchtlingshilfe ins Programm zu nehmen. Denn: „Wo wäre die News, die Neuigkeit?“ 

PR für Fremdenhasser?

Da haben sie Recht. Und doch scheint mir diese radikale Haltung überholt. Vielleicht sogar gefährlich. Denn sie schreibt wider besseres Wissen einen Geburtsfehler des „Nachrichtenprinzips“ fort: Sie konzentriert sich auf Außergewöhnliches, Sensationelles, Bedrohliches, Fürchterliches, Skandalöses.

Die Folge: Nachrichten verzerren die Wirklichkeit. Sie werden zu geballten Minuten des Bösen, Schlimmen, Bedrückenden. Und sie spielen damit denen in die Hände, die das wollen: Bedrohen, Angst machen, Druck aufbauen. Auf mich wirkt das manchmal wie PR für rechtsradikale Fremdenhasser. „Sollen die doch Angst vor uns haben!“

Diese Vorstellung bedrückt mich um so mehr, als es neben den schrecklichen Übergriffen auf Asylsuchende in Deutschland auch eine Welle der Hilfsbereitschaft gibt. Mehr als jemals zuvor. 

Gibt’s ne Pressemitteilung dazu? Nein? Na dann. 

Was fehlt, ist eine Organisation, die diese Info in eine Pressemitteilung gießt. Denn mal ehrlich: Gäbe es eine bundesweite Organisation, einen Dachverband aller ehrenamtlichen FlüchtlingshelferInnen, und hätte der eine Pressemitteilung herausgegeben, hätte es die in die Nachrichten geschafft. So aber bleibt die Wirklichkeit unter der Wahrnehmungsschwelle. Und weil keiner eine Karte veröffentlicht, auf der alle ehrenamtlichen Flüchtlingshilfsprojekte verzeichnet sind, kommt auch das nicht in den Nachrichten vor. 

Absurd eigentlich. Denn auf die Art berichten Nachrichten nur, wenn was – meist Schlimmes, Erschütterndes – passiert ist, oder irgendjemand irgendwas sagt zu etwas Schlimmem, das passiert ist. De facto heißt das: Die Nachrichten blenden einen großen Teil der Wirklichkeit einfach aus. 

Das Gute gehört auch in die Nachrichten. 

Ich bin dagegen überzeugt: Wir sollten in den Nachrichten die Wirklichkeit abbilden und deshalb mehr als nur (schlimme) Neuigkeiten melden. Wir sollten aufhören, in den Nachrichten nur Angst zu machen und müssen deshalb weg vom engen „News“-Begriff. Es hilft nicht, auf die Beiträgsplätze außerhalb der Nachrichten zu verweisen. Das Gute darf seinen Platz nicht nur anderswo haben. Es gehört in die Nachrichten. Denn noch immer haben Nachrichtensendungen durch ihre herausgehobene Platzierung und Form ein besonderes Gewicht, ein prägende Kraft. 

Ich stehe mit dieser Ansicht nicht allein. Die Diskussion über #constructivenews hat längst begonnen. Und mir ist bewusst, dass der Wunsch nach „guten Nachrichten“ viele Fallstricke hat, weil ihm das Stigma des „Wohlfühljournalismus“ anhaftet.

Und ganz bestimmt müssen wir uns genau überlegen, wie man das Gute in die Nachrichten bringt, ohne Gesinnungsnews zu machen. Wir müssen herausfinden, wie man die alten Nachrichtenkriterien lockert und neue nachvollziehbare Regeln für good news findet. 

Aber wie? Ideen erwünscht. 

Wie hätte man es also im Fall Tröglitz machen können? Als Serie vielleicht? Also eine Woche lang immer am Ende der Nachrichten melden, wo Orte welche Wege gefunden haben, Flüchtlinge unterzubringen? Wo Menschen wie welche Schwierigkeiten mit Flüchtlingen gemeistert haben? Selbst eine Karte zusammenstellen, die Übergriffe auf Flüchtlinge zeigt, aber auch, wo geholfen wird und diese Zahlen in die Nachrichten bringen? 

Ich weiß es selbst nicht, würde mir aber wünschen, dass wir einen Weg finden, auch das unscheinbare, unaufgeblasene Gute in die Nachrichten zu bringen und nicht nur die Angst und die Brandstifter.

Wenn jemand Ideen hat, wie das zu machen ist oder Beispiele kennt, wo das schon gemacht wurde: Ich wär neugierig drauf! Hier in den Kommentaren oder unter #newsneu auf twitter.

3 Antworten auf „Keine guten Nachrichten nach Tröglitz?“

  1. Danke für diese gedankliche Anregung. Ich glaube, im regionalen Programm ist da schon manches möglich, einfach weil die nachrichtliche Latte nicht so „hoch“ hängt. Weil wir es eben doch meldenswert finden, wenn sich in einem winzigen Ort 80 Helfer für die Flüchtlingsarbeit melden. Oder jemand Fahrräder en gros spendet.
    Andererseits: wenn wir in den Nachrichten melden, daß (verkürzt gesagt) Menschen Menschen helfen, stellen wir das wiederum als außergewöhnlich und besonders hervor, obwohl es doch eigentlich das Selbstverständlichste von der Welt sein sollte, oder?

  2. So, erstmal Chapeau! Wichtige Anregung – aber das ist ja schon hinlänglich bekannt…:-)

    Ich schließe mich da außerdem Friederike an: Wenn good news, dann momentan ja in den Regionalnews. Die Schwelle zu den großen schaffen höchstens Demonstrationen mit Tausenden… Schon auf Landesebene werden Positiv-Beispiele ja gern als zu regional/lokal also läppisch abgetan. (Ich rede von Radio und TV)

    Aber ist es nicht verrückt, dass ein lokales Ereignis nach dem traditionellen Nachrichtenverständnis nur eine Chance auf größere Aufmerksamkeit hat, wenn es außergewöhnlich SCHLIMM ist? Aber nicht, wenn es außergewöhnlich gut ist?

    Ich fürchte leider, dass auch organisierte „good news“ (es gibt ja auf PR-Ebene solche Beispiele) in Sachen Flüchtlinge (oder andere Themen) nicht auf offene Ohren stoßen. Denn mal ehrlich: Sind wir nicht skeptisch(er) bei guten Nachrichten und Positivbeispielen. Vielleicht weil wir eben PR wittern?

    Ich persönlich finde auch schwierig, es formatiert zu probieren: die Serie, immer am Ende auch was Gutes melden… da wird es schnell schwierig, weil das so zementiert. Außerdem hab ich ohnehin Probleme mit: Das machen wir jetzt immer so. Motto: „Schnell, such mal noch was Gutes.“ So als Gegenbeispiel zu dem schlimmen. „Ist ja nicht sooo schlimm alles.“ Da hätten wir den Fallstrick.

    Besser wäre die guten Nachrichten nicht nur als Antithese zu den schlechten zu denken: Zu jeder bad news gibt’s auch ne good news. Sondern erkennen: Eine good news aus ner Flüchtlingsunterkunft kann man auch mal senden, wenn nicht gerade alle über ein abgebranntes Flüchtlingsheim reden.

    Insofern: Mehr Mut, von den „kleinen“, den regionalen News zu lernen. Und wenn es zu kleinklein für die großen Nachrichten ist: Dann mal zehn gute Beispiele sammeln und eine News draus machen.
    @mediathoms

  3. < Denn mal ehrlich: Sind wir nicht skeptisch(er) bei guten Nachrichten und Positivbeispielen. Vielleicht weil wir eben PR wittern? >

    Nicht nur wir, sondern auch Fremdenhasser (womit der gute Gedanke zumindest im vorliegenden Beispiel vielleicht ad absurdum geführt wird, weil ihnen das – wenn auch unberechtigterweise – in die Hände spielt).

    Das ist natürlich kein Argument, lediglich eine leidige Erfahrung.

    Gute und schöne Geschichten sind aber, glaube ich, auch schwieriger zu erzählen, wenn sie nicht den Sound von (schlechtem) Lokaljournalismus haben sollen.

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